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Corporate Sustainability: Die neue Rolle von HR in „grünen“ Zeiten

Kommentar Ganz ohne Zweifel: Es wird und es muss neue, zukunftsweisende Formen des Wirtschaftens geben. Die alten haben eine erschöpfte Umwelt und erschöpfte Menschen hinterlassen. HR, in „People & Culture“ umbenannt, kann das ändern.

Foto: Francesco Ungaro, Pexels.com
Foto: Francesco Ungaro, Pexels.com

Corporate Sustainability: Wider die Wertvernichtung

Seit Jahren verbrauchen wir die Ressourcen unseres Planeten in einem Ausmaß, das seine Fähigkeit zur Selbsterneuerung bei Weitem übersteigt. Was wir Wertschöpfung nennen, ist in Wirklichkeit eine systematische Wertevernichtung. Die globale Zirkularität, so der Circularity Gap Report 2024, ist entgegen allen Ankündigungsfanfaren der Wirtschaft und trotz aller Hiobsbotschaften der Klimaforscher in den letzten fünf Jahren nicht besser, sondern schlechter geworden.

„Was kostet Klimaschutz?“ ist somit die falsche Frage. Sie muss vielmehr lauten: „Was kostet es uns, wenn wir nichts oder wenig tun, zu spät handeln, das Notwendige immer weiter nach hinten schieben?“

Sie sank von 9,1 auf 7,2 Prozent. Das bedeutet: 92,8 Prozent aller weltweit verbrauchten Rohstoffe werden derzeit zu Abfall gemacht und größtenteils umweltschädlich entsorgt. Was nicht im Meer landet, verrottet an Land. Unschätzbare Reichtümer, die einst in der Erde lagerten oder auf ihr wuchsen, werden unwiederbringlich in Verbrennungsanlagen vernichtet, vergammeln auf Giftmülldeponien, kontaminieren Gewässer und schweben, in tödliche Treibhausgase verwandelt, um unsere Köpfe herum. Was für ein Irrsinn!

Die größte Herausforderung aller Zeiten

Die Menschheit steht vor ihrer größten Herausforderung. Denn wenn wir unseren Heimatplaneten für uns unbewohnbar machen, ist alles andere eh egal. Ein Überdenken der Marktmechanismen und ein tiefgreifender Umbau unseres derzeitigen Wirtschaftshandelns sind unausweichlich. Die lineare Ökonomie mit ihrer Wegwerf-Systematik hat ausgedient. Wir können uns das einfach nicht länger leisten. Denn die Erde ist ein Ort mit sehr begrenzten Ressourcen.

Für die Wirtschaft ist es lohnend und lukrativ, jetzt Weitsicht zu zeigen.

„Was kostet Klimaschutz?“ ist somit die falsche Frage. Sie muss vielmehr lauten: „Was kostet es uns, wenn wir nichts oder wenig tun, zu spät handeln, das Notwendige immer weiter nach hinten schieben?“ Je früher wir entscheidende Fortschritte machen, desto sozialverträglicher wird das sein. Bereits jetzt zahlen wir einen hohen Preis für das hartnäckige Zögern der letzten Jahre. Zögern wir weiter, werden die Kosten für Umweltschutzmaßnahmen explodieren, die Einschränkungen werden größer und das Sicherheitsrisiko steigt für uns alle. Prävention ist immer besser als die mühsame Behandlung von Krankheitsverläufen.

Für die Wirtschaft ist es lohnend und lukrativ, jetzt Weitsicht zu zeigen. Die steigende Nachfrage nach ressourcenschonenden Produkten und klimafürsorglichen Dienstleistungen schafft neue Märkte und ermöglicht neue Geschäftsmodelle. So machen nun immer mehr Unternehmen belegbar gelebte vertrauenswürdige Nachhaltigkeit zu ihrem Erfolgsfaktor. Sie arbeiten mit Wissenschaftlern, Forschungseinrichtungen und NGOs zusammen, um ihre Vorhaben zu perfektionieren. So gelingt es ihnen, zahlungskräftige Kunden sowie begehrte Top-Talente anzuziehen und entscheidende Wettbewerbsvorsprünge zu realisieren.

Corporate Sustainability: Umweltschutz und Digitalkompetenz koppeln

Überall auf der Welt definieren visionäre Macher gerade das Mögliche neu. Mithilfe künstlicher Intelligenz als Co-Kreator und Co-Assistenz bringen sie Initiativen in Gang, die Ideen, Wissen und Können unkonventionell miteinander verknüpfen – und so unser Leben verbessern. Vorausdenkende Übermorgengestalter heilen die Schäden, die durch Wachstumswahn und Profitgier verursacht worden sind. Sie ergründen ganz und gar neue Mittel und Wege, um uns von Krankheiten zu befreien, neue Nahrungsquellen zu erschließen, klimaverträglich zu bauen, Müll und schädliche Emissionen erst gar nicht entstehen zu lassen und ein zukunftstaugliches Handeln zu etablieren.

Umweltschutz, Ingenieurskunst und Digitalkompetenz wachsen zusammen, weil es für „grüne“ Technologien nicht nur Programmierung, sondern auch Apparate braucht.

Mit dem Voranschreiten des Fortschritts und dem Aufstieg junger, forscher, agiler Unternehmen entstehen gänzlich neue Geschäftsideen, neue Organisationsdesigns, neue Formen der Arbeit, ein neues Führungsverständnis – und völlig neue Berufe wie etwa diese: Smart-City-Entwickler, Roboter-Disponent, 3D-Handwerker, KI-Trainer, Metaverse Creator, Technologie-Ethiker, Circular-Economy-Designer. Doch auch die werden wieder verschwinden, um noch neueren Berufsbildern Platz zu machen. Und das wird, wie alles andere auch, immer schneller passieren.

Umweltschutz, Ingenieurskunst und Digitalkompetenz wachsen dabei zusammen, weil es für „grüne“ Technologien nicht nur Programmierung, sondern auch Apparate braucht. Genau das ist unsere Chance, in GreenTech und ClimateTech führend zu werden. Denn in der Ingenieurskunst, da sind wir groß. Durch branchenübergreifende Vernetzung wird es zu einer wahren Flut „grüner“ Lösungen kommen. Hierdurch werden Millionen neuer Arbeitsplätze entstehen, sogenannte „Green Jobs“, die die Menschen mit Sinn erfüllen.

Ökosoziale Verantwortung oder „grünes“ Theater?

Fortan werden wir Mitarbeitende brauchen, die multiperspektivisch denken und kombinatorisch handeln, die sich eigeninitiativ weiterentwickeln und, aufbauend auf einem breiten Wissensfundament, Gesamtzusammenhänge erfassen. Die besten Innovationen entstehen an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen. Co-Working, Co-Creativity, Co-Living, Co-Mobility, Co-Labs, all diese Cos bedeuten ja, etwas gemeinsam zu tun. Dies verbindet sich mit sozialer Verantwortung und dem Schutz unseres Heimatplaneten, damit er auch für kommende Generationen lebenswert bleibt.

Die besten Innovationen entstehen an den Schnittstellen verschiedener Disziplinen. Co-Working, Co-Creativity, Co-Living, Co-Mobility, Co-Labs, all diese Cos bedeuten ja, etwas gemeinsam zu tun.

So erkennen immer mehr Hersteller die strategische Rolle langlebiger, wiederverwertbarer Produkte für ihre Geschäftsmodelle. Sie beginnen mit Weitblick und Zukunftsgeist, zirkuläre Kompetenzen und Infrastrukturen aufzubauen. Andere hingegen tun hauptsächlich nur so als ob. Sie spielen „grünes“ Theater.

Ganze Industrien hemmen nachhaltiges Handeln, um den Wert des Kapitals zu schützen, das in ihren veralteten Technologien gebunden ist. Der immense Schaden, der so entsteht, wird jedoch nicht von den Unternehmen getragen, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt. Statt in Nachhaltigkeit zu investieren, werden Millionen in verlogene Werbung gesteckt. Greenwashing ist immer ein Zeichen dafür, hintendran zu sein, Trends verschlafen zu haben oder wie bisher weitermachen zu wollen. Und willige Agenturen, die die hinterlistigsten Täuschungsmanöver ersinnen, gibt es anscheinend genug. Die Folge: Der Vertrauensschwund in die Unternehmen nimmt weiter zu.

Ganze Industrien hemmen nachhaltiges Handeln, um den Wert des Kapitals zu schützen, das in ihren veralteten Technologien gebunden ist. Der immense Schaden, der so entsteht, wird jedoch nicht von den Unternehmen getragen, sondern auf die Allgemeinheit abgewälzt.

Corporate Sustainability: HR als People & Culture in der Führungsrolle

All diese Entwicklungen werden ganz neue Anforderungen an das Personalwesen stellen. HR wird nicht nur digitaler, sondern auch „grüner“. Doch zunächst: Sustainability darf nicht in eine Abteilung gesperrt werden, sie betrifft jeden im Unternehmen über alle Bereiche hinweg. Interdisziplinäres Agieren ist also ein Muss. Ergo: Jede Geschäftseinheit benennt ihre „Evangelisten“ in Sachen Grün. Sie kümmern sich als crossfunktionale Gruppe um die Priorisierung der Aktivitäten, um das Maßnahmendesign und die operative Umsetzung. Sie formieren sich rund um die entsprechenden Handlungsfelder und legen Projekte, Ziele, Budgets, Messwerte, Verfahren, Software-Einsatz, Schulungsbedarfe und Zeitpläne fest. Dazu benötigen sie die uneingeschränkte Rückendeckung der Geschäftsleitung, denn der Weg hin zu einer Sustainable Company ist holprig, und man macht sich dabei nicht immer nur Freunde.

Der Fokus liegt auf dem Wohlergehen der Menschen im Verantwortungsbereich des Unternehmens. Dazu gehören auch Ethik und Werte.

Die Führungsrolle übernimmt der HR-Bereich, der sich erfreulicherweise zunehmend in People & Culture (P&C) umbenennt. Der Fokus liegt auf dem Wohlergehen der Menschen im Verantwortungsbereich des Unternehmens. Dazu gehören auch Ethik und Werte. Insofern sind reine Alibi-Kampagnen, das Erzeugen von Externalitäten sowie bewusst umwelt- und klimaschädigende Aktivitäten zugunsten der Profitmaximierung fortan inakzeptabel. Und damit das nicht nur hehres Wunschdenken bleibt, wird regeneratives Wirtschaften explizit in die Jobprofile und Zielvereinbarungen aller Führungsebenen integriert. Damit wechselt – über die derzeitigen Handlungsfelder weit hinaus – People & Culture aus der bislang eher reaktiven HR-Verwalterfunktion in die Rolle des proaktiven Zukunftsgestalters und strategischen Geschäftsleitungspartners.

 

Von Anne M. Schüller ist gerade das Buch "Zukunft meistern. Das Trend- und Toolbook für Übermorgengestalter" erschienen.